Was als PR-Gag begann, war bald nicht mehr zu stoppen: “Moschtkrug” auf Reisen ist die rasante Konzertgeschichte des MGV-Bargen
Von Christiane Barth
Helmstadt-Bargen. Zum Mostschöpfen fast zu schade: Der Steingut-Krug des Männergesangvereins Bargen hat die Welt gesehen. Das legendär gewordene, bauchige Gefäß der Männertruppe, die weit mehr als Trinklieder im Repertoire hat, reiste mit einem Lufthansa-Ticket erster Klasse nach Houston in Texas, positionierte sich am Times Square in New York, blickte auf einer Höhe von 3000 Metern mit Henkelrichtung zum höchsten Berg Europas, den Mont Blanc, war an der Nordsee, in Portugal, Regensburg, Budapest und im Münchner Hofbräuhaus.
Die weltumspannende Geschichte um den einst als vermisst geglaubten “Bargemer Moschtkrug” hat eine rasante Eigendynamik entwickelt. Mit 15.000 Klicks pro Monat wurde das aufflammende Interesse am “modernen Traditionschor” gebannt registriert, die Internetsuchmaschine Google listete als Antwort auf das Schlagwort “Mostkrug” den MGV Bargen an oberster Stelle. “Die Welle war nicht mehr zu stoppen”, berichtet Vorsitzender Steffen Emmerich. Wen wundert’s also, dass die Konzerte am 27. und 28. April in der Turnhalle Bargen (jeweils 19.30 Uhr) unter dem Motto “Mir hole unseren Moschkrug vunn…” dem flügge gewordenen Trinkgefäß gewidmet sind.
Zur Vorgeschichte: Die mysteriösen Umstände, die dazu führten, dass der Humpen bei der MGV-Vatertagswanderung im vergangenen Jahr in den Wollenbach plumpste und seither den Globus umrundet, speisten sich freilich aus allerhand Seemannsgarn. Die Elegie der Sänger, die den Verlust vermeintlich so sehr betrauerten, avancierte jedoch bald zur Realsatire. Mit GPS-Gerät und Kamera ausgestattet schickten die Sänger ihren Tiegel nun “ganz in echt” auf Wanderschaft und sammelten Erinnerungsfotos wie Pokale beim Wertungssingen. Was also als geschickt komponiertes Rätsel um den in den Fluten des Wollenbachs versunkenen Trog begann, entwickelt sich zum “Running Gag” – besser hätte die Werbekampagne für ein aussterbendes Vereinsformat nicht laufen können. Während andere Männerchöre um Nachwuchs ringen, erfreut sich der MGV mit 45 Sängern zwischen 18 und 81 Jahren bester Gesundheit.
Mit prosaischem Geschick weitergesponnen wurde die Geschichte um den “Eintracht”-Gral vom Vorsitzenden Steffen Emmerich. Um die Reisestopps des Krugs entwarf er eine Dramaturgie, illustriert und veröffentlicht als eine Art “Reiseblog” auf der Internetseite des Vereins. Der “Fake” also im heimischen Bargen, um Aufmerksamkeit, Mitgliederzuwachs und eine kreative “Liturgie” fürs nächste Konzert zu schaffen, entwickelte sich zum Selbstläufer, der den Eintracht-Sängern mehr Publikumswirksamkeit einbrachte, als sie für möglich gehalten hätten – dank eines Drei-Liter-Gefäßes, das “zu Lande, zu Wasser und in der Luft” Signale sendet. Und während der Krug zur Oktoberfestzeit in München gestemmt wird, Fotos aus Rom, von der italienischen Küste und vom Berggipfel in den französischen Alpen schickt, proben die Tenöre, Bariton- und Bassstimmen eifrig an Intros und Chorsätzen.
Denn die Reise, die das Konzert schon lange im Voraus ins Gespräch bringt, spiegelt sich im Liedgut, das von volkstümlichen Weisen bis zu Hard-Rock zwar in der Regel der Liebsten, aber auch dem liebsten Ding der Sänger gewidmet ist. Dirigent Friedemann Buhl, der die “Eintracht” seit 40 Jahren leitet, exerziert am frühen Sonntagmorgen mit den Mitgliedern die stimmliche Umsetzung von Fern- und Heimweh – ob “uffm Katzebuggl” oder in Kalifornien – rauf und runter durch, zudem in sieben Sprachen, wenn man “Bargemerisch und Österreichisch mitrechnet. Keine Frage, die Männer sind mit Freude dabei, die Geschichte um ihren “Moschtrug” gibt den Proben reichlich Vorschub. Ob dieser allerdings am 27. April, wenn das erste Konzert über die Bühne geht, ebenfalls wieder in heimischen Gefilden landet ist, bleibt abzuwarten. Ein bisschen Rätselhaftigkeit soll bleiben. Karten gibt’s bei “Ums Eck” in Bargen, bei der Volksbank Helmstadt und bei den Sängern.