Mit dem Mostkrug auf einer Erfolgswelle ? Die Geschichte vom weggespülten Tongefäß ist frei erfunden
Einen akribischen Ablaufplan hat Steffen Emmerich für die “Reise” des Bargener Mostkrugs zusammengestellt. Bisher hält sich das Steingut daran. Foto: Günther Keller
Von Günther Keller
Helmstadt-Bargen. Dass ein Mostkrug bei einer Pinkelpause einer Wandergruppe in den Bach kullert, kann ja mal vorkommen. Dass sich das Tongefäß mittels angeklemmten GPS-Empfängers nach tagelangem Abtrieb dann rund 20 Kilometer bachabwärts mit einem Pieps-Ton meldet – warum eigentlich nicht? Dass dann der Bembel weitere Wochen später dank der ebenfalls montierten Mini-Kamera halbwegs scharfe Bilder vom Loreley-Felsen liefert, macht aber doch stutzig. Und inzwischen, so wird aktuell gemeldet, nähert sich der Humpen der deutsch-holländischen Grenze – und funkt weiterhin brav Signale in seinen Herkunftsort im Kraichgau. Diese Story tischt der Männergesangverein “Eintracht” Bargen auf. Und wo soll die Geisterfahrt des Mostkrugs enden? In einem groß angelegten Konzert im nächsten Frühjahr und möglichst auch in einem Sängerzuwachs für die Eintracht.
“Der Krug war nie weg”, gesteht Steffen Emmerich, der Vorsitzende des Bargener Männergesangvereins. Lange nahm man den Sängern die seltsame Geschichte um das abhanden gekommene Steingut ab, auch weil sie sich in der Berichterstattung der RNZ niedergeschlagen hatte. Als allerdings der Humpen durch Mannheim und wenig später an Köln vorbei rheinabwärts treiben sollte, mehrten sich jedoch skeptische Stimmen. Jetzt ist klar: Hinter den “Fake News” steckt eine ausgeklügelte PR-Aktion, mit der sich der MGV Aufmerksamkeit für sein Großkonzert im April sichern und neue Chorsänger rekrutieren will.
Ein Schnapsidee will Steffen Emmerich nicht nennen, was da vor einigen Monaten im Sängerkreis ausgebrütet wurde, aber eine “ziemlich weit hergeholte Geschichte” ist es für den MGV-Chef dann doch. Und zwar wollte man in einer Art Langzeitprojekt die stimmliche Basis des derzeit rund 40 Sänger zählenden Klangkörpers verbreitern. Weil das erfahrungsgemäß allein mit Verweisen auf Tradition und der Pflicht, deutsches Kulturgut zu bewahren, mehr schlecht als recht funktioniert, hatte die “Eintracht” schon vor zwei Jahren eine Werbeaktion mit flotten Sprüchen kreiert. Das brachte dem Verein nicht nur zehn neue Sänger, sondern auch noch die mit 1500 Euro dotierte Chorprämie des Badischen Chorverbands ein. “Man muss sich was einfallen lassen, um heutzutage Aufmerksamkeit zu bekommen”, weiß Emmerich. Und dem Vorsitzenden, der erst seit gut eineinhalb Jahren im Amt ist, fiel etwas ein: die Story vom “Moschtkrug”, der von Bargen aus auf eine halbe Weltreise geht – und jede Station, die er dabei passiert, wird sich im Programm eines Konzerts wiederfinden. Der Grundgedanke wurde akribisch in einen Ablaufplan festgehalten. Und wird in den nächsten Monaten noch einige Überraschungen offenbaren, verspricht Emmerich.
Als Männerclub, “der einen Mostkrug vor sich herträgt, soll der MGV allerdings nicht in die regionale Sängerchronik eingehen. Für den Vorsitzenden ist wichtig, dass der Chor “aus der Stärke heraus” zur ständigen Erneuerung fähig sein muss. Die vor 135 Jahren gegründete “Eintracht” gehört unter ihrem Dirigenten Friedemann Buhl zu den renommiertesten Männerchören der Region – und das in einem gerade mal 1000 Seelen zählenden Dorf. “Wir wollen kein gemischter Chor werden”, gibt Emmerich als Parole aus – denn bei anderen Chören hat sich die personelle Verbreiterung nicht gerade als Problemlösung, sondern eher als der Anfang vom Ende entpuppt. Der Männergesang sei ein wichtiger Pluspunkt, den man nicht aufgeben wolle – gerade weil er Aktive von 18 bis 81 Jahren und aus dem gesamten Wollenbachtal und darüber hinaus anspricht.
Unterdessen trudelt der “Moschtkrug” virtuell weiter in Richtung Nordsee. Wo er noch überall vorbei kommt, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Spätestens beim Konzert im April soll es dann das breite Publikum erfahren.